Pressemitteilung 20.06.2024
Bürgerdialog zu Starkregenereignissen 2023
mit Bürgermeister Rajko Kravanja, Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emscher Genossenschaft und Herrn Michael Werner, Vorstand des EUV.
Nach den Starkregenereignissen 2023 in den nördlichen Stadtteilen Ickern (Aapwiesen), und Henrichenburg lud die Stadt zum 10.06.24 zu eine
Folgeveranstaltung in die Stadthalle ein, um weiterhin mit den Bürgerinnen und Bürgern im Dialog zu bleiben.
Vorab nutzten viele das persönliche Gespräch mit den Fachleuten und stellten Fragen zu der eigenen Situation in Haus, Keller und Grundstück. Viele
Bürgerinnen und Bürger hatten bereits ein 1 - 2-stündiges Beratungsangebot des EUV vor Ort angenommen, um sich über Maßnahmen zum Schutz von Gebäuden
bei Starkregenereignissen und technische Anlagen für den Rückstauschutz zu informieren. Dieses Angebot des EUV besteht noch und dessen Annahme ist erwünscht.
Kontakt:
Nach der Begrüßung durch den Bürgermeister Rajko Kravanja und einem Sachstandsbericht vom Leiter des EUV, Herrn Michael Werner, referierte Herr Professor
Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emscher Genossenschaft, zum Thema Stauraumkanal und die gegenwärtigen, klimawandelbedingten Niederschlagsereignisse
in der Region.
Natürlich gab es wieder die berechtigte Frage zur Größe des Stauraumkanals und ob dieser nicht zu klein berechnet sei in Anbetracht des seit Jahren bekannten
Klimawandels?
Die Antwort blieb auch bei dieser Folgeveranstaltung die Gleiche. Der Emscher-Umbau begann 2008 und der Stauraumkanal ist nach gesetzlicher DIN-Norm von der
Bezirksregierung Münster genehmigt worden.
Auf Rückfrage der FWI hatte Prof. Dr. Paetzel ergänzend berichtet, dass die Anlage incl. der Rohrleitungen nach den "Anerkannten Regeln der Technik" beauftragt und errichtet wurden und dass für weitergehende Forderungen nicht ausreichend Geld vorhanden war.
Dazu muss man wissen, dass es bei solchen Anlagenausschreibungen drei im Wesentlichen unterschiedliche Qualitäten gibt:
- Die einfachste und preiswerteste, solide Methode ist es die Anlage nach den "Anerkannten Regeln der Technik" auszuführen. Dies ist nach den Worten von Prof. Dr. Paetzel beim Emscher Umbau geschehen. Das bedeutet erst einmal nicht, dass die Anlage schlecht sein muss. Sondern damit wird festgelegt, dass die Anlage im Wesentlichen nach den bekannten Normen und sonstigen Vorschriftenwerken erstellt wird/wurde und damit auch zumutbar sicher sein muss. Es werden Technik und Anlagenkomponenten verwendet, die bewährt sind und eine Vorgehensweise, die sich nach der vorherrschenden Ansicht bewährt hat.
- Die nächsthöhere/bessere Anforderung ist es, eine Anlage nach dem "Stand der Technik" zu bauen. Das ist sicherlich mitunter deutlich teurer als der Bau nach der 1. obengenannten Technik. Im internationalen Sprachgebrauch hat sich die Bezeichnung "Best Practice" durchgesetzt, was in etwa so viel heißt, wie "nach bestem Wissen und Gewissen" zu bauen unter Berücksichtigung aller wahrscheinlichen Rahmenbedingungen.
- Die nächsthöhere/bessere Anforderung ist es, eine Anlage nach dem Stand der Wissenschaft zu erstellen. Das würde dann möglicherweise auch völlig neue Technologien umfassen, die bisher noch nicht erprobt und damit auch nicht bewährt sind. Hier ist die Unterstützung durch Hochschulen gefordert, mit denen ggfs. Versuchsanlagen aufgebaut werden müssen, die aller Wahrscheinlichkeit erfolgsversprechend sind.
Die drei obengenannten Beschreibungen haben sich bewährt bei der Bestimmung Von Soll-Eigenschaften für Bauwerke und insbesondere als Haftungsmassstab im Werksvertragsrecht von Bauten und Anlagen.
Laut Herrn Paetzel ist das aus monetären Gründen nicht geschehen, weil sich vor ca. 20 Jahren als der Emscher Umbau geplant wurde, hierzu noch keine
konkreten Aussagen möglich gewesen seien. Man konnte nicht abschätzen, dass sich die Klimaverhältnisse so gravierend ändern.
Wir fragen uns allerdings, wenn von vornherein klar ist, dass z.B. die "Aapwiesen" schon immer unter Wasser standen, hätte dies beim Emscher Umbau an
diesem Teilstück schon berücksichtigt werden müssen.
Eine weitere Frage der FWI:
Wir haben von Anwohnern gehört, dass vor dem Anschluss des Abwassersystems am Stauraumkanal das Regenwasser von den Dächern z. T. in offenen Rinnen direkt
in die Emscher floss und es gab kaum Probleme.
Mit dem Anschluss an den Stauraumkanal wurden diese Rinnen geschlossen. Alles Wasser wird ins Abwassersystem eingeleitet und damit erhöht sich der Druck im
System. Könnte man einen Teil der Rinnen zur Emscher wieder öffnen und das Regenwasser direkt einleiten, um Druck aus dem Abwassersystem zu nehmen und
zusätzlich Straßen als Notwasserwege einrichten?
Eine engagierte, junge und betroffene Anrainerin erkannte die Chance und stellte die Frage, ob sie das Regenwasser von ihrem Dach direkt an ihrem
Grundstücksende in die Emscher einleiten könnte, als eine schnelle und wirksame Sofortmaßnahme?
Herr Prof. Dr. Uli Paetzel erklärte, dass sie dafür eine Genehmigung, wie jeder Einleiter bei der "Unteren Wasserbehörde" einholen müsse, was wahrscheinlich
für Einzelpersonen schwierig sei. Alle Anrainer der Breslauer Straße, Danziger Straße und Insterburger Straße etc. müssten jeweils einen eigenen Antrag bei
der "Unteren Wasserbehörde" stellen.
Unverständnis machte sich breit.
Herr Prof. Dr. Paetzel nahm Kritik und Anregungen auf und es gab erstmalig ein konkretes Ergebnis des 2. Bürgerdialogs für die Betroffenen.
Die Emscher Genossenschaft und die Stadt erklärten sich bereit Bürgerinnen und Bürger bei einer kollektiven Einleitgenehmigung zu unterstützen.
Für die FWI ist es eine positive Perspektive mit dem gemeinsamen Blick nach vorn.
Die Forderung der FWI:
Heute sollte beim Bau von Neuanlagen mindestens die Forderung nach Stand 2. "Stand der Technik" erfüllt werden, damit wenigstens relative Sicherheit für
die nächste Zukunft geschaffen wird. Die offensichtliche Ausrede "Wir haben doch nach DIN gebaut" darf bei Planern nicht mehr gelten.
Die Starkregenprobleme in den letzten Monaten sind nicht zuletzt Folgen des Steinkohlebergbaus, für den seinerzeit gewaltige Geldbeträge zurückgelegt wurden.
Große Teile des Ruhrgebiets liegen durch den Kohleabbau deutlich tiefer als vor 100 Jahren.
Auch dieser Umstand hat zu den Problemen im Castrop-Rauxeler Norden geführt. Es wird Zeit, dass diese Gelder auch in Richtung der Betroffenen gelenkt werden.