Haushaltsrede vom 18.11.2014
Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden der FWI Manfred Postel zum Haushalt (HH) 2015 und zum Haushaltssanierungsplan (HSP)
Herr Bürgermeister meine Damen und Herren,
es gibt keinerlei Grund optimistisch in die Zukunft unserer Stadt zu blicken bewertet man das uns vorgelegten Zahlenwerk für 2015 und die Fortschreibung des HSP. Zu viele Unwägbarkeiten bei der Veranschlagung der Einnahmen und Ausgaben, zu viel Optimismus, dass die getroffenen und vorgegebenen Prognosen auch eintreffen, kennzeichnen den Verwaltungsentwurf. Seitens meiner Fraktion bestehen erhebliche Zweifel, dass ein HH-Ausgleich 2016 überhaupt erreicht werden kann. Wir rechnen damit, dass das finanzielle Konstrukt trotz Stärkungspaktmittel im nächsten Jahr zerbricht, wenn nicht etwas Bahnbrechendes passiert. Der HH 2015 und der HSP dienen eigentlich nur noch dazu, sich selbst, der Aufsichtsbehörde und gleichzeitig den Bürgern etwas in dem Sinne vorzumachen, dass es wirklich Lösungen für die enormen Finanzprobleme unserer Stadt gibt.
Wir werden es auf keinen Fall mittragen, die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt noch stärker durch Steuern, Abgaben und Gebühren zu belasten. Ein Vorziehen der von rot/grün für 2016 schon beschlossener Grundsteuererhöhung auf 825 Punkte werden wir auf keinen Fall mittragen. Eigentlich müsste der Bürgermeister und die Ampelkoalition den Bürgern schonungslos sagen, dass derzeit eigentlich alles was politisch gewollt und teilweise auch schon beschlossen ist - Alles - vom Altstadtmarktprojekt bis zur Teilsanierung des Rathauses - gar nicht finanzierbar ist. Es ist auch an der Zeit den Spuk mit dem Gespenst des Sparkommissars des Landes zu beenden. Denn außer weiteren Steuer- und Abgabenerhöhungen kann er sicher auch nichts mehr vorschlagen. Vielleicht trägt er aber wenigstens dazu bei, dass, wenn das Land z.B. für alle Stärkungspaktgemeinden im Kreis und im Ruhrgebiet einen Sparkommissar stellen müsste, der anstelle des jeweiligen Rates entscheidet, sich endlich etwas ändert.
Die Situation ist mittlerweile nach unserer Einschätzung wirklich dramatisch; unsere Stadt, ja der gesamte Kreis Recklinghausen und Teile des Ruhrgebiets insbesondere der Emscher-Lippe-Raum sind finanziell am Ende. Man mag noch Einiges über eine gewisse Zeit hinaus kaschieren können - auch die eigenen Fehler der Vergangenheit- aber "der große Knall" rückt näher. Der Stärkungspakt des Landes ist dabei nur ein kleines Pflaster auf eine große klaffende Wunde und m.E. ohne weitere Hilfe des Bundes absehbar zum Scheitern verurteilt, da die Städte die damit verbundenen Auflagen nicht mehr erfüllen können. Die in der Verfassung zugesicherten gleichartigen Lebensverhältnisse in NRW existieren schon lange nicht mehr. Allein ein Vergleich der Abgaben und Steuern der armen Städte mit den reichen Städten im Land NRW erzeugt schon ein Kopfschütteln. Die reichen Städte klagen jetzt sogar gegen den von ihnen geforderten sogenannten "Kommunalsoli"
Nicht nur bei uns ist der Sanierungsstau an Gebäuden, Brücken und Straßen enorm hoch auch die sozialen Lasten steigen weiter und Aufgaben wie z.B. die Inklusion, die Flüchtlingshilfe, die sonderpädagogischen Hilfen im Schulbereich und die Behebung der Umweltschäden nach dem Pfingststurm müssen finanziert werden. Dem Aufwand auch nur annähernd entsprechende Hilfen von Land und Bund bleiben jedoch aus.
Die Kreis- und Landschaftsverbandsumlagen steigen unaufhaltsam weiter zu Lasten der Städte. Wir müssen mittlerweile an die Kreispolitiker appellieren, der Erhöhung nicht zuzustimmen. Mehr können wir auch gesetzlich nicht, da im Gesetz nur eine unverbindliche Benehmensherstellung den Städten von der Landespolitik zugebilligt wurde - m.E. ein Unding.
Der Schuldenberg wächst weiter, im nächsten Jahr um mehr als 10 Mio. €. Von einer nur ansatzweisen Tilgung der Schulden sind wir weit entfernt. 2016 soll ein geringer HH-Überschuss erzielt werden und eine Schuldentilgung von 4 Mio.- € ist eingeplant, was z.B. bedeutet, dass in 2016 weiter Einsparungen von ca. 10 Mio.- € erzielt werden müssen. Dies hält die FWI für nicht realisierbar.
Das Konnexitätsprinzip ist in der Landesverfassung festgeschrieben und eigentlich auch von unserer Stadt einforderbar - eigentlich. Wäre da nicht das parteipolitisch Gewollte wie z.B. die sonderpädagogischen Hilfen, die Inklusion und auch die Einführung der Sekundarschule in NRW, wofür trotz Konnexität zunächst einmal nur kommunale Gelder veranschlagt werden - auch bei uns. Man mag zur Sekundarschule stehen wie man will aber zunächst kostet uns die Einführung erst einmal mehr als 300 t € allein an Baukosten in 2015 und auch Schulschließungen erfordern erst einmal Investitionen zur Umgestaltung wie bei der Grundschule "Grüner Weg". Die Umbaukosten belaufen sich hier auf fast 300 t €. Die sonderpädagogischen Hilfen sollen nun durch den Kreis finanziert werden - da spielt die Erhöhung der Kreisumlage auf einmal gar keine Rolle mehr und auch das diese Aufgabe eigentlich allein, nach Anschubfinanzierung durch den Bund, Landessache wäre. Die Mammutaufgabe Inklusion ist derzeit von der Stadt gar nicht finanzierbar, insbesondere auch im Schulbereich. Ob die eingeplanten Einsparungen von über 300 t € bei den Hilfen zur Erziehung erzielbar sind steht ebenfalls wie die Einhaltung der veranschlagten Personalkosten in den Sternen.
Viele weitere Gründe für unsere Ablehnung des HH und des HSP habe ich bereits in den letzten Jahren vorgebracht, wovon ich nur einige wiederholen möchte wie
- die Ablehnung der Mehrheit des Rates zur von der FWI vorgeschlagenen Gewinnabführung durch die Sparkasse Vest an den städtischen HH wie in vielen NRW Städten üblich (die neusten Vorkommnisse hinsichtlich Verwaltungsrats- und Vorstandstantiemen sind mehr als peinlich für die beteiligten Politiker)
- die Ergebnisabführung aus dem Gebührenhaushalt des EUV an den städtischen HH, was u.E. rechtswidrig ist und wogegen wir Klage erhoben haben
- die nach wie vor fehlende interkommunale Zusammenarbeit im Kreis RE, die endlich zu nennenswerten Ergebnissen führen muss.
- die kontraproduktiven und verwaltungstechnisch aufwendigen Maßnahmen wie die Samstagsparkgebühren oder die Nutzungsgebühren für die Sportstätten.
All die genannten Aspekte passen nach Meinung der FWI nicht in das durch den HH und den HSP gezeichnete politische Bild.
Nach der Bundestagswahl gab es Meldungen, dass noch nie so viele kommunalfreundliche Abgeordnete im Parlament eingezogen sind. Ich frage mich wo diese alle geblieben sind. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/SPD steht, dass die Kommunen um 5 Mrd. € entlastet werden sollten. Geblieben davon ist nur 1 Mrd. € aber erst ab 2016 - viel zu wenig und ein Bruch des Vertrages. Der Rest wurde auf die nächste Legislaturperiode ab 2018 verschoben. Wo sind die sogenannten kommunalfreundlichen Politiker aus dem Revier die dieses anprangern?
Am Ende bleibt die von uns bereits oftmals gestellte Frage, ob unser Anteil für Castrop-Rauxel überhaupt hier ankommt oder einfach im "Bermudadreieck Kreishaushalt" RE verschwindet.
Unsere Bürgerinnen und Bürger empfinden mittlerweile, dass der Bund für alles und jedes einspringt und Geld zur Verfügung stellt, wo Not am Mann ist nur nicht bei den notleidenden Kommunen. Geld scheint anscheinend genug im Bundeshaushalt vorhanden zu sein. Nur die Misere im Ruhrgebiet interessiert in Berlin wohl keinen. Sich dort mit Erfolg Gehör zu verschaffen gelingt offensichtlich nicht.
Wenn es an der Ruhr brennt, reicht das Wasser des Rhein nicht um den Brand zu löschen
, sagte Adenauer einmal während
der ersten Kohlekrise.
Meine Damen und Herren m.E. brennt es im Ruhrgebiet lichterloh - um im Bild zu bleiben - und man sollte aus der Herzkammer der Sozialdemokratie gen Berlin mal eine unmissverständliche Botschaft senden:
Die Wahlergebnisse der SPD im Bund wären ohne die Stimmen aus dem Ruhrgebiet und NRW massiv schlechter ausgefallen.
Dies gilt übrigens auch für die letzten Landtagswahlen.
Eine politisch, logischere Begründung für die Abgeordneten aus unserer Region sich für die Region und unsere Stadt endlich massiv einzusetzen gibt es wohl nicht.
Ansonsten versagt das politische System und man kann nur den alten Spruch zitieren:
Wer ein Problem erkennt, und nichts zu seiner Beseitigung unternimmt, der ist möglicherweise ein Teil dieses Problems.