Rede im Rat der Stadt vom 11.02.2016
Rede von Annette Korte zur Kita Henrichenburg
Liebe Bürgerinnen und Bürger, Damen der Presse, geehrter Herr Bürgermeister und Ratsmitglieder dieser Stadt!
Wir sitzen in unserem Stadtrat nicht um unser Ego zu streicheln, sondern weil es in unserer Stadt, erstaunlicher
Weise noch Menschen gibt, die uns zutrauen, ihre Interessen zu vertreten. Man beachte die Wahlbeteiligung!
Die Interessen jedes einzelnen Bürgers, ob Wähler oder nicht, ernst nehmen und beachten ist unser Auftrag und
sollte auch das Ziel von uns allen sein.
Jetzt schlage ich mal einen Bogen zur Kita Henrichenburg. Dort stehen sich zwei Lager gegenüber. Die einen wollen
eine neue Kita um jeden Preis, auch mit der Konsequenz der Vernichtung des alten Friedhofs, die anderen wollen
eine neue Kita auf dem bereits genutzten Gelände, mit dem Erhalt des alten Friedhofs.
Beide Seiten wollen die neue Kita. Es geht also nicht um die Frage Neubau oder nicht, sondern allein um die genaue
Lage.
Durch eine Verlagerung des Neubaus nach hinten, neben oder an die Stelle der alten Kita, könnte man beiden Lagern
den Wunsch nach einer neuen Kita erfüllen und dies wäre ohne größere Probleme möglich, wenn man es nur will. So
wurde es uns auch von Seiten der Verwaltung signalisiert, als wir unseren Vorschlag zur Verlegung des
geplanten Neubaus vorlegten. Durch diesen Kompromiss hätte man eine, der sehr seltenen Gelegenheiten, beiden
bürgerlichen Lagern ihre begründeten Wünsche zu erfüllen.
Es besteht doch gar keine Notwendigkeit einen Friedhof zu bebauen, außer man will der Kirche, durch Umwidmung
eines finanziell relativ wertlosen Grundstücks in Bauland, das Grundstück vergolden.
Das Friedhofsgelände liegt im Grünzug E. Warum wurden von, gut bezahlten, Mitarbeitern unserer Verwaltung Pläne
zum Grünzug E erarbeitet, die auch damals von der Politik befürwortet wurden, wenn man diese Pläne, u.a. mit dem
hehren Ziel des Erhaltens der Freiflächen als Grünflächen, dann über den Haufen schmeißt, weil es Teilen der Politik
gerade in den Kram passt?
Auf der Teilnehmerliste zum Fachdialog "Regionale Grünzüge" des Kreises RE ist übrigens nicht ein einziger Teilnehmer
für die Stadt Castrop-Rauxel genannt.
In der Stellungnahme des Kreises, geht man davon aus, dass im Rahmen des Umweltberichts mit der üblichen
Schutzbegutachtung die Unvermeidbarkeit der Maßnahme belegt und eine Variantendiskussion stattfindet, bzw stattgefunden
hat, die die Standortwahl, im Hinblick auf das Vermeidungsgebot, transparent nachvollziehen lässt. Primär scheitert
die Variantendiskussion, die wohl allein die Verwaltung, nicht die Politik, geführt hat, zum Standort der Kita
an dem vorhandenen Baumbestand, der laut Verwaltung das "höhere Schutzgut" darstellt.
Warum gibt es noch keine Aussage des Petitionsausschusses zu der Friedhofsbebauung? Ist das nicht ein Zeichen,
dass man auch dort Bedenken hat und sich diese Entscheidung nicht leicht macht? Sollte dieser Petitionsausschuss
sich für eine Aufnahme des Friedhofes in den Denkmalschutz entscheiden, haben Sie Herr Dr. Lind, mit Ihren
politischen Spielchen bereits Tatsachen geschaffen. Denn laut Ihrer Aussage hat die Entscheidung des
Petitionsausschusses keinen Einfluss auf kommunale Belange.
Wer von Ihnen garantiert uns denn, dass nicht der ganze Friedhof bebaut wird und weitere folgen? Denn wenn man
schon mal angefangen hat, macht der Rest den Kohl doch auch nicht mehr fett!
Vor mehr als 10 Jahren wird von Seiten der Verwaltung noch gesagt, dass ein Friedhof ein besonders zu schützender
Raum sei. Dem Ansinnen der St. Lambertus Gemeinde Castrop wurde, für die Bebauung des Erin Platzes an der Bochumer-/
Karlstr. eine Abfuhr erteilt. Am Widerstandstand der SPD Obercastrop war das Bauvorhaben gescheitert. Es ist
eine Stadtbild prägende Fläche
,sagte Daniel Molloisch damals. Die Grünen wehrten sich, wie auch die FWI,
damals entschieden gegen die Bebauung der Frei- und Grünfläche. So wurde, um eine Bebauung des ehemaligen Friedhofs
in Obercastrop zu verhindern, 2006 ein Beschluss zur Ausweisung der Friedhofsfläche als Grünfläche gefasst, der
heute noch besteht.
Warum ist der alte Friedhof in Henrichenburg kein besonders zu schützender Raum?
Welcher Tote macht, in diesem Fall, den Unterschied? Wo bleibt der Respekt vor Gedenken und Kultur?
Mit einer Abrundungssatzung setzten Sie sich über fundierte und berechtigte Einwände mit sehr, sehr schwachen,
teilweise an den Haaren herbeigezogenen, Gegenargumenten hinweg. Das einzige worauf Sie Rücksicht nehmen sind nicht
die letzten Ruhestätten und die ökologische Nische des gesamten Friedhofsareals, sondern die dort stehende Blutbuche!
Hut ab, vor der Setzung Ihrer Prioritäten.
Ich könnte jetzt versuchen, sowohl den Bürgermeister und die Mitglieder des Rates von der möglichen Alternative des
Neubaustandorts zu überzeugen, aber ich bin mir sicher, dass wir alle den Ausgang der Abstimmung jetzt schon kennen
und viele aus dem Rat auch schon das genaue Ergebnis.
Anstatt mit Fingerspitzengefühl einen hier möglichen Kompromiss den Weg zu bereiten, werden die meisten Ratsmitglieder
mit ihrer Abstimmung im wahrsten Sinne des Wortes "über Leichen gehen" und das für einen Kita Neubau der
nach den Plänen, die uns von der AWO und dem Investor vorgelegt wurden, nicht einmal behindertengerecht ist, da er
über zwei Etagen geht und nur über ein Treppenhaus verfügt. Außerdem ist eine Außentreppe in besagtem Plan eingetragen,
die im Brandfall eine Gefahr darstellt, da sie in ihrer Winkelung auf das, evtl. brennende Gebäude zurück führt.
Vielleicht wurde der Bauplan auch nachträglich um einen Lift und eine sichere Außentreppe erweitert, damit man
wenigstens diese Vorwürfe der FWI abschmettern kann. Unsere Feuerwehr sagte zu den Plänen übrigens kein Wort.
Für mich und die FWI Fraktion ist die Bebauung des ehemaligen Friedhofs ein pietätloser Tabubruch. Der Kulturlandschaftsschutz hat für uns Vorrang, denn die Einbettung in den jeweiligen Landschaftsraum, hier im Grünzug E, sollte die Sicherung als Grün- und Freifläche sein. Die kulturhistorisch gewachsene Kulisse ist nicht durch Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen kompensierbar. Dies gilt für uns für alle Friedhofsflächen und ist die selbstbindende, deutliche Absage der FWI Fraktion an die Begehrlichkeiten, die zur Bebauung weiterer Friedhofsflächen im Stadtgebiet nach diesem Tabubruch sicher kommen werden.
Seien Sie einmal ehrlich zu sich selbst: wer von Ihnen hat sich mit diesem Thema im Detail beschäftigt, wer kennt die
Pläne des Neubaus, wer kennt die genaue Lage der jetzigen Kita, wer kennt die möglichen Alternativen, wer hat sich
persönliche Gedanken gemacht und wer hat sein Gewissen befragt und folgt nicht blind seinem Parteikollegen, Genossen
und der Verwaltung?
Wenn Sie nicht jede dieser Fragen mit "ich" beantworten können, sollten Sie bei dieser Abstimmung mit "Nein"
stimmen, denn das wäre der ehrliche Weg!
Zum Abschluss möchte ich noch einmal ganz deutlich erklären: eine neue Kita wollen wir alle. Die Frage ist aber, um welch ethischen Preis
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!