Klartext vom 10.12.2019
Datteln 4
Alle Argumente, die für Dattteln 4 sprachen, haben sich in Luft aufgelöst
Uniper-Vorstandschef Andreas Schierenbeck sagte im August 2019:"Als ich hörte, es (Datteln 4) könnte im Rahmen der Kohleausstiegsdiskussion womöglich gar nicht mehr ans Netz gehen, war ich doch sehr erstaunt. Für jemanden wie mich, der bei allen Dingen zunächst die Fakten betrachtet, erscheint das ziemlich absurd."
Auch die FWI hat zunächst die Fakten betrachtet:
- Datteln 4 ist Europas größter Steinkohle-Kraftwerksblock, ein Bau nach den Plänen von vor mehr als zwanzig Jahren. Er ist nicht ein Ersatz für die Kraftwerksblöcke Datteln 1 bis 3, wie immer be-hauptet wird, denn der Riese hat das 3,5fache an Leistung aller drei alten Blöcke zusammen. Damit geht natürlich einher, dass mehr Brennmaterial als vorher genutzt und damit mehr angeliefert werden muss, aus Übersee. Leider besteht darüber hinaus die Erlaubnis, 10 Prozent stark schwermetallhaltigen Petrolkoks (Rückstand bei der Erdölraffinierung) zu verbrennen.
- Der riesige Block soll nach Angabe von Uniper eine elektrische Nettoleistung von 1.052 MW ins Netz geben und einen besseren Wirkungsgrad haben als die drei alten Blöcke. Datteln 1 bis 3 hatten einen Wirkungsgrad von 38 Prozent, der Riese 45 Prozent. Aber durch die schiere Größe wird erheblich mehr Material verbrannt, dadurch entsteht erheblich mehr CO2 (beantragt sind jährliche CO2-Emissionen von 8,4 Millionen Tonnen), erheblich mehr Schadstoffe werden in Luft und Wasser emittiert und erheblich mehr z.T. problematische feste Stoffe bleiben übrig
- Für die alten Blöcke sind Mengen und Art der emittierten Luftschadstoffe (Stickoxide, Schwefeloxide, Feinstaub, Distickoxide, Benzol, Blei, Chrom, Nickel, Quecksilber, Arsen, Cadmium), Wasserschadstoffe (Chloride, Fluoride, Zink. Kupfer, Arsen) und feste Schadstoffe bekannt. Sollte der Dattelner Riese in Betrieb gehen, liegen zwar Berechnungen für Betrieb und Emissionen vor, aber in der Zwischenzeit sind Kessel und Rohrleitungen, große Teile des Inneren, ausgetauscht worden. Der aktuell genutzte Stahl hält nicht so hohen Temperaturen und Drücken stand. Damit wird der Wirkungsgrad niedriger und die Emission von Schadstoffen höher werden.
- Höchst bedenklich findet die FWI die Angabe, dass demnächst bis zu 56 kg Quecksilber pro Jahr in die Luft abgegeben würden (dazu kommt noch etwas auf dem Abwasserpfad). Dabei sind viel geringere Emissionswerte durchaus technisch machbar, wie es uns die USA seit 2016 und sogar die alten Dattelner Blöcken bewiesen haben. Der Riese wird ein Mehrfaches der amerikanischen Emissionswerte abgeben. Da stellt sich uns als Bürger und Bürgerinnen die Frage, warum eigentlich ein ganz neuer langlebiger Kraftwerksblock nicht nach dem neuesten Stand der Technik arbeiten muss. Denn Quecksilber ist ein hochtoxisches Schwermetall, das sich im ganzen Körper ausbreitet und u.a. Nervenbahnen und das Gehirn angreift.
- Wirtschaftlich steht der Riese auf wackeligen Beinen. Die Anfang des Jahrhunderts unterzeichneten Verträge, z.B. mit der Bahn, gingen von viel höheren Strompreisen aus. Nun möchte die Bahn die alten Verträge aufkündigen. Die Bahn will billigeren Strom nutzen und gleichzeitig ökologischer werden. Schon heute liegt der Anteil des regenerativ erzeugten Stroms beim Zugbetrieb bei 60 Prozent. Er soll auf Wunsch der Bundesregierung bis 2030 auf 80 und bis 2038 auf 100 Prozent steigen. Da auch RWE aus den Verträgen heraus will, ist der wirtschaftliche Erfolg längst nicht mehr abgesichert.
- Nicht umsonst hat die Kohle-Kommission empfohlen, Datteln 4 nicht anfahren zu lassen, u.a. weil mit der erhöhten Stromproduktion durch den Riesen-Kraftwerksblock auch die in Deutschland emittierte CO2-Menge steigt statt zu sinken.
- Zudem muss Deutschland seit langem überschüssigen Strom exportieren, damit das Netz nicht zusammenbricht. Im Jahr 2018 floss der Exportüberschuss aus Deutschland zum Großteil in die Niederlande, die einen Großteil des Stroms nach Belgien und Großbritannien weiterleiteten. Auf Platz zwei folgte Österreich vor der Schweiz, die hauptsächlich Strom-Transitland nach Italien ist. Deutschland importierte zwar Strom aus Frankreich, der wurde aber hauptsächlich an die Nachbar-länder weitergeleitet. Deutschland hat also Strom im Überfluss und nun soll noch das größte europäische Kraftwerk dazukommen. Welchen Sinn sollte ein solches Vorgehen haben?
- Europas größter Steinkohlenkraftwerksbau steht mitten im Dattelner Stadtgebiet, direkt neben der anerkannten Vestischen Kinderklinik. Auch das Argument Fernwärme zieht nicht mehr. Der Vest gehört mit zu den am dichtesten besiedelten Bereichen Deutschlands. Fernwärme im großen Stil zu nutzen, wäre sinnvoll, aber leider sind viel zu wenig Fernwärmeleitungen vorhanden und die äußerst finanzschwachen Kommunen können sie auch in Zukunft nicht finanzieren. Der FWI ist beispielsweise bekannt, dass der geplante Bau einer Fernwärmeleitung nach Deininghausen nicht realisiert wird. Die Dattelner werden seit Abschaltung der alten Kraftwerksblöcke von Herne mit Wärme versorgt, demnächst aus einem viel umweltfreundlicheren Gaskraftwerk.
Die FWI hat sich zum Grundsatz gemacht, zunächst die Fakten zusammenzutragen und dann daraus Schlüsse zu ziehen. Sie sieht keinen Sinn in einem Kraftwerk, welches weder gebraucht wird, noch für die Allgemeinheit von Vorteil ist. Im Gegenteil, der Kraftwerksriese schadet nur, wenn er ans Netz darf! Deutschland muss dann mehr Strom exportieren, kann die CO2-Menge nicht abbauen, schadet damit dem Klima im Allgemeinen und der Umwelt durch die emittierten Schadstoffe. Über die Jahre haben sich alle Argumente, die für Dattteln 4 sprachen, in Luft aufgelöst. Die Märchenstunde ist vorbei. Die Fakten sprechen schon lange nicht mehr für Europas größten Steinkohlen-Kraftwerksbau. Es wäre absurd, Datteln 4 anzufahren.
Und nun wird plötzlich eine andere Schiene gefahren: Ministerpräsident Laschet ist der Meinung, dass es wegen der Stilllegungprämie zu teuer werde, Datteln 4 nicht ans Netz gehen zu lassen.
Fazit der FWI: Offensichtlich werden immer noch die Interessen von Konzernen über die Interessen der Bürger, den Umwelt- und den Klimaschutz gestellt.
Hilde Krusch
Christel Sperz